Vollmundig

Timo hatte es eilig. Sehr eilig.
Schnell das Fahrrad aufschließen und los.
Es war der Tag, vor dem ihn viele seiner Freunde gewarnt hatten.

„Du sagst am besten weniger, als zu viel.“
„Sei einfach wie du bist. Das passt.“
„Rede bloß nicht über Politik, Klima oder Kindererziehung.“

Das waren nur ein paar der Hinweise, die er für das erste Treffen mit der potenziellen Schwiegermutter bekommen hatte.
Ausgemacht war ein Treffen im Clara-Park. Mit Picknick. Mila würde Häppchen mitbringen. Mit dem leichten Käse und der scharfen Salami. Bloß keine Butter! Ein paar Oliven und Sesamknabberstangen. Seine Freundin hatte genaue Anweisungen von ihrer Mutter bekommen.

Timo hatte die größte Verantwortung übernommen: den perfekt gebrühten Kaffee. Nicht zu sauer, nicht zu stark. Aber doch vollmundig.

Wer sagt heute bitte noch vollmundig, hatte Timo gedacht und „Ja, gerne“ gesagt. Um dann am Morgen mit schwitzigen Händen die gute Thermoskanne zu befüllen. Voll isoliert.

Timo hatte die Abkürzung genommen. Vorbei am Glashaus. Die weiße Picknickdecke mit den Mohnblumen schon in Sicht. Darauf: Seine wunderbare Freundin und ihre Mutter.

Ein kurzes Hochgefühl und dann – die Erkenntnis, dass die Kanne mit dem vollmundigen Kaffee noch dort stand, wo er sein Fahrrad vor 20 Minuten aufgeschlossen hatte.